Ich habe mir in der Zwischenzeit das 24-70 noch genauer angesehen. Zunächst muss ich gestehen, dass ich in dem Glauben war, dass mit dieser Linse der Bereich des 14-24 nahtlos fortgesetzt wird. Beide wurden ja auch als Paar vorgestellt und gern in einem Atemzug erwähnt. Über meine anfänglichen Irritationen (bis hin zu dem Gedanken an eine Rückgabe) hatte ich ja schon berichtet. Inzwischen bin ich der Meinung, dass das 24-70 nicht besonders viel mit dem 14-24 zu tun hat, sondern eher in der Linie des 17-55 steht. Für mich ist das 14-24 mehr das klassische Objektiv für Landschaft und Architektur, während die 17-55 und 24-70 auf Reportage, Porträt, etc. abzielen. Was nicht heißt, das man sie nicht im umgekehrten Sinne einsetzen kann (und was ich beim 14-24 @ 18...24/2.8 schon mehrfach getan habe). Und ich meine nicht die Brennweitenbereiche, sondern den nachfolgend beschriebenen Effekt.
Vorab hatte ich schon im Vergleich des 17-55 (2 Exemplare) mit meinem 18-70 festgestellt, dass bei gleicher Blende unterschiedliche Schärfeverläufe auftreten. Zusammen mit Frithof_B (der in den Nachbarforen intensiv postet) hatten wir es dann genauer untersucht. Wenn man auf Motive im Abstand zwischen 2-8m fokussiert, dann bleiben auch bei f/8 oder 11 mit dem 17-55 weit entfernte Objekte leicht unscharf, während diese mit dem 18-70 deutlich schärfer sind. Erst wenn der Fokus des 17-55 auf unendlich steht, werden weit entfernte Objekte richtig scharf abgebildet. Dann ist aber der Vordergrund deutlich unscharf und dies entspricht bei Landschaften nicht der Sehgewohnheit, dass die Details mit größerem Abstand abnehmen. Dafür lieferte das 17-55 bei Porträts einen besseren plastischen Eindruck, bei Offenblende sichtbar besser.
Mathematisch würde ich das Ergebnis so beschreiben: Eine Gauß- und eine Lorentzfunktion haben bei gleicher Halbwertsbreite sehr unterschiedliche Ausläufer für große und kleine Argumente. Und die Angabe einer einzelnen Zahl für die Schärfentiefe (Halbwertsbreite) sagt wenig über den sonstigen Verlauf der Kurve. Aber es sollte ja um die praktischen Ergebnisse gehen:
28mm: 24-70 vs. 18-70 („deutlich unterschiedliche Bildwirkungen“)
Bei f/11 ist das 24-70 in der Bildmitte minimal schärfer, der Vorder- und Hintergrund wird jedoch mit zunehmendem Abstand zur Fokusebene trotz des Abblendens immer noch sichtbar unscharf. Weit entfernte Objekte werden NICHT scharf abgebildet. Das 18-70 ist wenn überhaupt nur einen Tick weniger scharf in der Bildmitte, behält jedoch seine Schärfe vom Vorder- bis zum Hintergrund! Für Landschaften mit dem weitschweifenden Blick von einem betonten Vordergrund bis zum Horizont ist das 18-70 deutlich besser geeignet, da es den gesamten Bereich scharf abbildet. Beim 24-70 wirkt dagegen das Hauptmotiv deutlich plastischer und das Bild gewinnt an Dimensionalität durch die Betonung der Fokusebene und das unschärfere Zeichnen von Vorder- und Hintergrund. Bestens geeignet für Gruppen von Personen, Street und Candid. Kann aber in dieser Ausprägung bei Landschaftsaufnahmen sehr störend sein – wir reden von f/11.
Für f/5.6 ist die Bildmitte mit dem 24-70 etwas schärfer. Unmittelbar hinter und vor der Fokusebene setzt sofort eine Abnahme der Schärfe ein, was eine sehr schöne plastische Bildwirkung liefert. Beim 18-70 bleibt die nähere Umgebung des Motivs deutlich schärfer. Der Hintergrund (auf 10-40m) ist noch etwa so scharf wie beim 24-70 mit f/11.
Fazit: Mit dem 24-70 kann man das Wechselspiel von Schärfe und Unschärfe besser betonen. Bei f/11 ist die Bildmitte minimal schärfer, bei f/8 sichtbar schärfer, bei f/5.6 etwas schärfer, bei f/4 würde ich Gleichstand sehen und bei f/2.8 ist die Mitte etwas weich (bei nicht allzu starker Vergrößerung am Bildschirm, z.B. 1:3, oder bei mittelgroßen Prints aber sehr gut brauchbar und dann mit einer super Dimensionalität). Wenn man allerdings größere Bereiche scharf abbilden möchte, dann ist dies nicht das richtige Objektiv.
24mm: 24-70 vs. 14-24 („Der Schwachpunkt des 24-70.“)
Nicht nur abgeblendet auf f/11 gewinnt das 14-24 klar den Vergleich. In der Bildmitte ist in diesem Fall die Schärfe etwas besser, vor allem aber bleibt die Schärfe auch bis zu weit entfernten Objekten gut erhalten, während diese beim 24-70 sichtbar unscharf werden. (Wozu würde man sonst auf f/11 abblenden?) Ebenso wird der Vordergrund durch das 14-24 schärfer abgebildet. Es ist auf diese Art deutlich besser für Landschaftsaufnahmen mit dieser Brennweite geeignet. Die Aussagen gelten in der Bildmitte auch bei f/5.6. Wenn sich das Motiv auf 2m Entfernung befindet, dann erscheinen weit entfernte Objekte bei f/5.6 aber auch mit dem 14-24 außerhalb der Schärfentiefe, aber immer noch klarer als mit dem 24-70. Mit Offenblende ist das 14-24 in der Bildmitte immer noch erstaunlich scharf und zeigt dann eine sehr schöne Dimensionalität (hier wird es zum Reportage-Objektiv), während das 24-70 dann ziemlich weich zeichnet.
50mm: 24-70 vs. 18-70 („Stunde der Wahrheit.“)
Bei Offenblende ist das 24-70 etwas schärfer (wobei die Schärfentiefe gering ist) und vor allem deutlich kontrastreicher als das 18-70. Der Hintergrund verschwindet bei f/2.8 sehr angenehm in der Unschärfe, während mit der Anfangsöffnung f/4.5 des 18-70 das Freistellen bei weitem nicht so gut gelingt. Die Dimensionalität mit dem 24-70 ist hervorragend, die subjektive Bildwirkung einfach super.
Abgeblendet auf f/5.6 ist das Bild mit dem 24-70 immer noch etwas besser freigestellt, allerdings tritt der Hintergrund schon deutlich hervor. Die Details in der Fokusebene sind atemberaubend – wow! Hier kann das 18-70 nicht ganz mithalten, was sowohl an der Schärfe, wie auch am geringeren Kontrast liegt. Das 18-70 ist wirklich nicht schlecht, aber auf 100% ist das 24-70 sichtbar besser (mit mehr Details). Allerdings würde man zum Freistellen die Blende lieber noch weiter öffnen.
Entsprechendes gilt für f/11, wobei die „subjektive Schärfentiefe“ beim 24-70 geringer als beim 18-70 ist. So werden z.B. Objekte kurz vor oder hinter der Fokusebene mit dem 18-70 detaillierter wiedergegeben. Wenn die Tiefenwirkung nicht durch unscharfe Bereiche vor oder hinter dem Motiv erzeugt werden soll, sondern durch andere Gestaltungselemente in einem Bild mit möglichst großer Schärfentiefe – was oft bei Landschaften der Fall ist – dann kann das 18-70 FÜR DIESE ANDERE BILDWIRKUNG die bessere Wahl sein.
Aus diesem kleinen Vergleich wird für mich vor allem deutlich, dass die Beurteilung des 24-70 SEHR davon abhängt, welche Bildwirkung man vor Augen hat. Wer von Landschaftsaufnahmen mit hoher Auflösung und vielen Details träumt und die klassischen Aufnahmen mit einem betonten Vordergrund und dem Blick in die Ferne a la Ansel Adams, David Muench oder Jack Dykinga ablichten möchte, könnte enttäuscht werden. Der Zugewinn an Schärfe in der Fokusebene gegenüber z.B. dem 18-70 hat einen hohen Preis. (Ich meine nicht den auf der nächsten Kreditkartenabrechnung.) Für Reportage und Porträts allerdings bekommt man eine super Bildwirkung. Ab 28mm aufwärts eine bemerkenswerte Auflösung. Und vor allem eine hohe emotionale Wirkung. Aber auch nur ein mittelmäßiges 24er.
Für Landschaftsaufnahmen bleibt MEINE erste Wahl vorerst: 14-24, 18-70, 105, 180. Im Bereich Street/People/Events war diese Kombi allerdings nicht optimal und das 50/1.4 ergab z.B. subjektiv eine deutlich bessere Bildwirkung. Da ich in diesem Bereich mehr machen möchte, ist hierfür das 24-70 eine willkommene Erweiterung. Allerdings werde ich auch das 50er nicht weggeben, da es zusammen mit der D300 einen eigenen Charme hat. Super leistungsstark und so leicht, dass diese Kombi unbemerkt in jeden Cityrucksack schlüpft. Bei mir also nichts mit Abrüstung...
PS: Ich möchte hier auch nicht behaupten, dass man mit dem 17-55 keine guten Landschaftsaufnahmen machen kann. Wenn ich mir die (künstlerisch und technisch) sehr guten Prints von Frithjof_B auf A4-Größe ansehe, dann erkenne ich jedoch den beschriebenen Effekt. Bei einer Auflösung von 600x900 Pixel ist er vermutlich weg.
PS2: Falls Interesse besteht, kann ich gern Bildbeispiele posten. Allerdings suche ich noch einen Server, der die JPG’s in Originalgröße mit ca. 3.8 MB erlaubt. Das Beschneiden wäre mir zu viel Arbeit.