Wieso überhaupt Weißabgleich?

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tibu
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Wieso überhaupt Weißabgleich?

Beitrag von tibu »

Hallo zusammen,

ich habe eine blöde(?) Frage: Wenn ich es richtig verstehe, dient der Weißabgleich bei einer Digitalkamera dazu, die Farbtemperatur des Lichtes zu kompensieren. So dass ein Weiß bzw. Grau unabhängig vom Umgebungslicht immer "neutral" dargestellt wird.

Was ich nun nicht so richtig verstehe: Mit einem Foto will ich doch die gegenwärtige Lichtstimmung authentisch einfangen, wenn ich nicht gerade eine technische Dokumentation mache. D.h. wenn die untergehende Sonne weiße Flächen in ein warmes gelb/rot taucht, soll das auf dem Foto auch genauso aussehen. Würde dieses nicht durch einen Weißabgleich kompensiert werden?

Wo liegt mein Denkfehler?

Gruß,
Tilman
Arjay
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Re: Wieso überhaupt Weißabgleich?

Beitrag von Arjay »

tibu hat geschrieben:Wo liegt mein Denkfehler?
In der Schwankungsbreite der Farbtemperatur. Obwohl das menschliche Auge durchaus z.B. die niedrigere Farbtemperatur eines Sonnenuntergangs (rötliches Licht) wahrnimmt, kompensiert es immer noch den Großteil der Lichttemperaturschwankungen. Aus dem Bereich analoger Papierbilder kennen auch nur die wenigsten von uns das Problem, weil hier das Entwicklungslabor bei Papierbildern ebenfalls eine Farbtemperaturanpassung vornimmt.

Fakt ist aber, dass die Farbänderung z.B. zwischen Tageslicht bei Mittagsonne und Kunstlicht (z.B. Extremfall Kerze) so gravierend ist, dass beide Situationen unbedingt ihren eigenen Weissabgleich erfordern, sonst wäre die Tageslichtaufnahme (bei Kunstlicht-WB) stark blaustichig oder die Kunstlichtaufnahme (bei Tageslicht-WB) voll in Orangetönen abgesoffen.

Kleines Wahrnehmungsbeispiel: In einer bestimmten Situation kannst Du kurzzeitig den "automatischen Weissabgleich" Deiner Augen überlisten. Dazu ziehst Du Dir bei normalem Tageslicht mal eine orangefarbene Schibrille an und trägst sie so etwa für 1/4 Stunde. Innerhalb dieser Zeit gewöhnt sich das Auge an den Orangeton und kompensiert ihn nahezu vollständig. Wenn Du die Brille dann absetzt, sieht in den nächsten 10 Sekunden alles blaustichig aus, weil der Weissabgleich Deiner Augen eben nicht beliebig schnell funktioniert! Dieses Experiment funktioniert am besten mit orange oder blau getönte Brillen (bei blau sieht man nachher alles orange!).
Gruß Timo.

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ManU
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Beitrag von ManU »

Dieses Experiment funktioniert bei "meinen" Augen sogar ohne Einsatz einer Brille. ;-) Wenn ich eine gewisse Zeit im Liegestuhl mit geschlossenen Augen verbracht habe und dann irgendwann die Klüsen aufmache, habe ich einen hübschen Blaustich vor Augen, der nach wenigen Minuten (nicht Sekunden) verschwindet.
lottasrevenge
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Beitrag von lottasrevenge »

bei einer analogen kamera kannst du mit verschiedenen filmen (tageslicht-, kunstlichtfilm) auf die momentan bestehenden lichtverhältnisse reagieren, bei dem sensor einer digitalen kamera kannst du dies mit dem weißabgleich.
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MarkusM
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Re: Wieso überhaupt Weißabgleich?

Beitrag von MarkusM »

Arjay hat geschrieben:Obwohl das menschliche Auge durchaus z.B. die niedrigere Farbtemperatur eines Sonnenuntergangs (rötliches Licht) wahrnimmt, kompensiert es immer noch den Großteil der Lichttemperaturschwankungen.
Und genau mit diesem "Grossteil" habe ich so meine Probleme.
Ich habe an der D70 die Möglichkeit, mich auf die Automatik zu verlassen oder einen der vordefinierten (geschätzten) Weissabgleiche ("Glühbirne") zu verwenden. Dabei kann ich auch in gewissen Grenzen eingreifen.
Wenn ich aber den manuellen Weissabgleich verwende, ist jegliche Stimmung dahin, weil die natürliche Farbtemperatur vollständig kompensiert wird. Ich kann dann nicht "ein bisschen wärmer" einstellen.

Was macht man am besten, um z.B. eine Abendstimmung möglichst gut abzulichen? Automatik? (Funktioniert meist recht gut.) Beliebig in RAW und dann nacher so lange dran drehen bis es gut aussieht? Oder manueller Weissabgleich in RAW und nacher anpassen?
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Re: Wieso überhaupt Weißabgleich?

Beitrag von Tommy-W »

MarkusM hat geschrieben: <zipp> Oder manueller Weissabgleich in RAW und nacher anpassen?
Ja, RAW ist das Zauberwort. 8)

Du kannst auch die Automatik nehmen und dann nach Deinem Gusto den Weißabgleich nachträglich ändern.

Ich sag nur RAW! :D
Nette Grüße

Tommy
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Re: Wieso überhaupt Weißabgleich?

Beitrag von PeterB »

Tommy-W hat geschrieben:Ja, RAW ist das Zauberwort. 8)
Ich sag nur RAW! :D
Genau! Bei meiner 4500 war ich mit dem Weißabgleich nie so recht zufrieden und musste in Photoshop dran drehen. Aber mit "RAW" bin ich das Problem los! Ist sicher auch für Ungeübte eine Erleichterung.
Zuletzt geändert von PeterB am Do 22. Jul 2004, 12:31, insgesamt 1-mal geändert.
Gruß!
Peter
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Re: Wieso überhaupt Weißabgleich?

Beitrag von Arjay »

MarkusM hat geschrieben: Ich habe an der D70 die Möglichkeit, mich auf die Automatik zu verlassen oder einen der vordefinierten (geschätzten) Weissabgleiche ("Glühbirne") zu verwenden. Dabei kann ich auch in gewissen Grenzen eingreifen.
Wenn ich aber den manuellen Weissabgleich verwende, ist jegliche Stimmung dahin, weil die natürliche Farbtemperatur vollständig kompensiert wird. Ich kann dann nicht "ein bisschen wärmer" einstellen.

Was macht man am besten, um z.B. eine Abendstimmung möglichst gut abzulichen? Automatik? (Funktioniert meist recht gut.) Beliebig in RAW und dann nacher so lange dran drehen bis es gut aussieht? Oder manueller Weissabgleich in RAW und nacher anpassen?
Wie Du schon schriebst, gibt es mehrere Möglichkeiten.
  • Du nutzt die WB-Presets, die Du noch modifizieren kannst (Handbuch S. 50 "Feinabstimmung der Weissabgleichseinstellugen").
  • Du verwendest den manuellen Weissabgleich und "drehst" später per EBV an der Lichttemperatur (funktioniert auch ganz gut, wenn Dein Monitor richtig eingestellt ist).
  • W.o. bei Verwendung von RAW. Hier schätze ich, dass Du am besten fährst (damit habe ich noch nicht viel Erfahrung).
IMHO ist es sinnvoll, mit einem möglichst genauen (ggf. manuellen) Weissabgleich zu fotografieren und die Lichtstimmung später nach subjektivem Geschmack einzustellen (Voraussetzung: genaue Justage Deines Bildschirms). Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass die einzelnen Farbauzüge des Originalbildes nur ein Minimum an Rauschen aufweisen, weil sie dann aus technischer Sicht optimal belichtet sind, so dass spätere Modifkationen noch immer auf einer optimalen Bildqualität aufbauen.

Wenn Du Dir aber nicht sicher bist, ob Dein Bildschirm das Foto in genau der richtigen Farbstellung wiedergibt, ist es IMHO wohl besser, mit einer "warm" abgestimmten WB-Einstellung zu arbeiten.
Gruß Timo.

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Re: Wieso überhaupt Weißabgleich?

Beitrag von MarkusM »

Besten Dank für die Tips. Das nächst dringende Anliegen wird wohl erstmal sein, den Monitor hier ordentlich zu kalibrieren :oops:
Tommy-W hat geschrieben:Du kannst auch die Automatik nehmen und dann nach Deinem Gusto den Weißabgleich nachträglich ändern.
Habe ich da irgendwas übersehen oder wird die verwendete Farbtemperatur weder bei der Automatik noch beim manuellen Abgleich angezeigt? Der Wert müsste doch im NEF gespeichert sein. Ausserdem scheint es bei diesen bneiden Modi (zumindest mit Nikon Capture) auch nicht möglich zu sein den ermittelten Wert etwas zu shiften...
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Tommy-W
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Beitrag von Tommy-W »

Der Weißabgleich wird als "Recorded Value" (engl. Capture-Version) bzw. "Als Aufnahme" (dt. Photoshop CS) angezeigt.
Bei PS wird auch die Farbtemperatur angezeigt.

Du kannst dann aber den Weißabgleich nochmals berechnen lassen, oder eine Vorgabe wählen. Auch kannst Du beim PS die Farbtemperatur einstellen etc. etc.
Zuletzt geändert von Tommy-W am Do 22. Jul 2004, 15:21, insgesamt 1-mal geändert.
Nette Grüße

Tommy
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